AM ANFANG IST DER BÜROKRAT UND DAS WEISZE PFERD DES AMTES
Sehr geehrte Damen, ebensolche Herren!
Den Kunstigel „white noise“ mit 20.16 zu verbinden, hatte ich immer schon als sinnvoll empfunden. Immer wieder spricht man von Synergien, allein gemacht werden sie selten, weil sich oftmals irgendwer übervorteilt sieht. Es freut mich deshalb umso mehr, dass charmanter politischer Beistand nun dazu geführt hat, dass wir letztendlich doch in den erlauchten Kreis der „Zu-Fördernden“ aufgenommen wurden.
Ganz ehrlich gesagt – und das habe ich ja auch am Telefon erwähnt – hatte ich damit bereits abgeschlossen, zu sehr hatte ich mich über gewisse Umstände geärgert. Bittsteller bin ich keiner, ebensowenig Almosenempfänger. Wir stehen seit dreißig Jahren für redliches Tun.
Nun scheint sich ein Weg gefunden zu haben, eine Nische, in die wir „hineinpassen“.
Geplant ist, das Kulturzelt vier Monate – von Anfang Mai bis Ende August 2016 zu bespielen. Ausstellungen mit Themenschwerpunkten zu Veränderungen in der Architektur, der Landschaft, der Lebensbedingungen im alpinen Raum, sowie Lesungen, kleine Konzerte (von Klassik über gewachsene Volksmusik bis Jazz), Kindertheater (Workshops, Vorstellungen, eigene Erarbeitungen mit Schülern aus der Region) werden der Konstruktion Leben einhauchen. Das Zelt sollte ein ganz besonderer Ort der Begegnung werden, ein Ort, an dem sich Menschen aus der Region genauso präsentieren können, wie Künstler aus der ganzen Welt. Das Miteinander ist wesentlicher Bestandteil! Möglicherweise ein Jahr zu spät, wenn man die augenblickliche Asylwerberdebatte verfolgt. Nein, es ist nie zu spät, Mensch zu werden.
Das Kulturaluminiumzelt wird in Wald im Pinzgau eingebettet sein zwischen der Landesstraße B 165, dem Pinzgauer Radweg, der Streckenführung der Pinzgauer Bahn und der Landeslebensader Salzach. Erinnert diese Konstellation nicht an das Bild einer „Gebärmutter“, in der bekanntlich Leben seinen ersten Schutz findet, um heranzureifen!?
Das geistige Schaffen, das kreative Aufkeimen ist eingebettet, umgeben vom lebensspendenden aber auch zerstörerischen „Nass“, ist umgeben vom lebensnotwendigen aber auch umweltzerstörerischen Straßenverkehr, ist umgeben vom Radweg, der den Menschen Gelegenheit bietet, aktiv, in einer begreifbaren Geschwindigkeit die Gegend zu erleben, von Geleisen, die zwar schmalspurig sein mögen, trotzdem aber unbeirrbar ein Ziel verfolgen!
Vielleicht entsteht aus dem gesäten Kultursamen ein zartes Gebilde, welches das Denken, den Umgang miteinander verändert, vielleicht gelingt es, dem Respekt wieder den Stellenwert zu verleihen, den er in einer funktionierenden Gesellschaft haben muss.
Das Fördergeld wird – dafür stehe ich mit meinem Wort – für Nachhaltigkeit und Herzensbildung verwendet werden.
Im Namen meiner Mitstreiter bedanke ich mich,
Ihr
Don Quichote alias charly rabanser
ANMERKUNG: Aus der Idee die Pinzgau Bahn einzubinden – Verkehrsentlastung, kostenlose Imagekampagne – wurde nix. Weiter als ins Wartezimmer konnte ich nicht vordringen!! Kein Amtsschimmel! Eine Herde von weißen Pferden, die eigentlich schwarze Schafe sind!!
GÜTHAUS!? – WAS IST DAS, BITTE!?
Auf die Idee, diesen Ort so zu benennen, brachte mich mein lieber Freund Rupert Henning, der meinte: „Was hältst du von ,Leo’? Kennst du das?“ Auf mein Verneinen erzählte er mir Folgendes:
„Unter dem unvollendeten Nordturm des Stephansdomes am Adlertor befindet sich an einer Säule des Portals ein Eisenring, der einer Spule ähnelt, der sogenannte Asylring, der auch „Leo“ genannt wird. Leopold VI. hatte nämlich diesen Ort als Zufluchtsstätte für Untergebene, die sich zu Unrecht verfolgt fühlten, bestimmt. Sobald sie den Ring berührten, waren sie vor Verfolgung sicher. Der Volksmund nannte diesen Ring bald „Leo“. Wiener Kinder verwenden diesen Ausdruck auch heute noch beim Fangenspielen.“
Auf das hin erkundigte ich mich bei Einheimischen, wie man denn im Pinzgau zum geschützten Raum beim Fangenspielen sage. „Güthaus“, war die Antwort.
Und so soll unser „White Noise“ Kunstigel auch ein „Güthaus“ sein, ein Platz, in dem man nicht angegriffen werden kann, in dem Gedanken ihren freien Lauf nehmen dürfen, ein Platz fürs Andersdenken und gleichzeitig ein Kraft- und Wohlfühlplatz!
Ein kleines Beispiel dafür, dass man durchs Reden einerseits Neues erfährt, andererseits Altes wieder ins Bewusstsein holt.
Es igelt, es stachelt im hinteren Tal oder „the Igel has landed“ oder noch besser: „Es lebe die Landkultur!!!“
Unbehagen und Neugier
Der extraterrestrisch anmutende Mikadostäbchenhaufen in den eine mittlerweile schmutzig-weiße Kunststoffzelthaut eingeknüpft ist, erweckte im diesjährigen Sommer in Wald im Pinzgau, einer Nationalparkgemeinde im ziemlich äußersten Westen des Bundeslandes, kurz vor der Grenze zu Tirol, nicht nur das Interesse der Ober-Pinzgauer Bevölkerung, auch aus der zähfließenden Kolonne des vorbeistauenden Touristenstroms scherte so mancher Neugierige aus, um das Gebilde von der Nähe zu bestaunen…..diesen Kunst-Igel „White Noise“, dieses Prestigeprojekt des Landes, das in weiten Teilen der Bevölkerung kein allzu gutes Image aufzuweisen hat(te). Auch hiesigen Mündern entfleuchte so manche sehr guttural abfällige Bemerkung – „fir wos brauchhhma oft des? A so a Bledsinn! Wos des wieda kkkost!“. Vor allem Menschen, denen Neues Unbehagen bereitet, sofern es sich nicht um Gäste aus den nördlich angrenzenden Ländern handelt, äußerten so ihre Bedenken. Wobei…..egal, zurück zum Igel.
Natürlich löste die temporäre Aussiedelung der Kulturaktivitäten des m2-kulturexpress innerneukirchlich Diskussionen aus. Besonders aufgebracht zeigten sich vor allem diejenigen, die es in den vergangenen Jahren selten bis nie geschafft hatten, einer Veranstaltung im Kulturtempel „Cinetheatro“ beizuwohnen. Dieses Phänomen ist in dörflichen Regionen allerdings häufig zu beobachten.
War es anfänglich einzig und allein die fehlende innerörtliche, zentrale Aufstellmöglichkeit für den Kunstigel, die dem Exodus zugrunde lag, so gesellte sich in weiterer Folge aber der Gedanke des Niederreißens des weitverbreiteten Kirchturmdenkens hinzu. Um diesem Gedanken auch ein sichtbares Signal zu verleihen, errichteten wir das Kirchturmdenkendenkmal „Denk mal!“ mit einem Misthaufen „zu Füßen“, wo der Betrachter aufgefordert wurde, als Zeichen des guten Willens einen Blumenstock zu setzen, auf dass bis zum Ende der Festivalzeit ein Blumenhügel entstehe. Mist ist eben auch Dünger! Es ist gelungen.
Hinein in den geschützten Raum
Doch nun zum “Güthaus“, dem Igel selbst. Der Begriff ist der regionale Ausdruck für den Ort beim Fangenspielen, an dem man nicht abgeklatscht werden kann. In Wien sagt man: „Bin im Leo“. Bei uns sollte das Güthaus der Platz sein, an dem die Gedanken „frei“ sind, wo einfach Begegnungen stattfinden, wo Gespräche passieren, wo Kulturen einander in Freundschaft begegnen, ein Kraft- und Wohlfühlplatz, bei dem das zerstörerische „Aber“ ausgesperrt bleibt, genauso das gemeinschaftsmordende „Hast-schon-ghört“.
Aufgestellt wurde der Igel schließlich in Wald im Pinzgau neben der Bäckerei Schroll, eingebettet zwischen der lebenserhaltenden B 165, dem Pinzgauer Radweg, der den Bewegungsfreudigen die Chance bietet, die Umgebung in einer menschlich erfassbaren Geschwindigkeit an sich vorübergleiten zu lassen, der schmalspurigen Trasse der Pinzgau Bahn, die ihre Garnituren unabweichbar zwischen Zell am See und Krimml hin und her schiebt und der Landeslebensader Salzach, die Leben spendend, aber auch vernichtend sein kann. Dieses Eingebettetsein sollte an das Bild einer „Gebärmutter“ erinnern, einer von schutzgebenden „Häuten“ umgebenden Räumlichkeit, in der Leben bekanntlich seinen ersten Schutz findet, um heranzureifen!
Vom 4. Mai bis zum 28. August wurden nun im geschützten Raum sehr viele Möglichkeiten zur Entspannung angeboten.
In diesem Zeitraum waren täglich die diversen Ausstellungen von 9 bis 18 Uhr zu besichtigen. Vier syrische und ein irakischer Flüchtling versahen ihre Aufsichtsdienste, lernten dabei Leute aus der Region kennen und natürlich auch viele neue Worte und Begriffe. Auch ein Integrationsprojekt. Ein Gelebtes.
Workshops unterschiedlichster Art wurden angeboten, handwerkliche ebenso wie künstlerische, für junge und auch ältere Menschen. Knapp 80 Veranstaltungen – Konzerte, Kindertheater, Kabaretts, Diskussionen, Vorträge, Tanzperformances – boten die Möglichkeit zur passiven Entspannung am Abend, die vielen Matinées, die den Ausstellungseröffnungen einen würdigen Rahmen gaben, sollten einen freudvollen Start in den Tag ermöglichen. Die Lebenshilfe Bramberg präsentierte ihre Arbeitsweisen und ihre Produkte, die Bürgermeister des Pinzgaus trafen sich im Igel zur Regionalkonferenz, die Bürgermeisterinnen Österreichs folgten der Einladung von Stuhlfeldens „First Lady“ Sonja Ottenbacher. Vielleicht hat sich so der gute Geist des „Güthauses“ in die Köpfe und Herzen der Politikvertreter eingeschlichen. Mehr (Umgangs-)Kultur in der Politik schadet keinesfalls!
Fazit eines Kultursommermärchens
Um es kurz zu machen: mehr als 10.000 Menschen machten dem Güthaus ihre Aufwartung und dem Igel durch ihr Kommen ein Kompliment. Die anfängliche Skepsis wurde von einer immens hohen Welle der Begeisterung hinweggespült. Es ist uns gelungen, Menschen von der Schönheit der weitgestreuten Kultur zu überzeugen, sie zum positiven Gespräch anzuregen und vor allem viel Licht in ihre Herzen zu bringen.
Wir vom m2-kulturexpress bedanken uns bei allen Institutionen und Menschen, die zum Gelingen unseres Tuns durch finanzielle Zuwendungen beitragen – Kultur Land Salzburg, 20.16, Bund, Gemeinde Neukirchen – und auch bei jenen, die nie, nie, nie daran gezweifelt haben, dass unser unaufhörliches kulturelles Engagement Früchte tragen wird. Schöne. Reife. Wohlschmeckende.
Das Mauerblümchen „Landkultur“ hat einen weithin riechbaren Duft verstreut.
QUINTESSENZ
DAS PROGRAMM
PRESSE
IMPRESSIONEN von C. RABANSER
ZU GAST IM IGEL
BILDER (Christian ECKER)
BILDER (D. INNERHOFER)
KIRCHTURMDENKEN-KIRCHTURM (C.R.)
PK (E. SIMONITSCH), BÜRGERMEISTERINNEN-KONFERENZ (W. SCHWEINÖSTER)
QUER DURCH … oder RUNDSCHAU
DAS ENDE DES SOMMERMÄRCHENS IN WALD
BILDER